SEX!

…sells bekanntlicherweise, Science aber irgendwie auch. Womit  eigentlich schon die Notwendigkeit eines Blogeintrags über die psychologische Forschung zum Thema Sex erwiesen wäre.

Passenderweise hatte ich kürzlich zwei biopsychologische Seminarsitzungen dazu; einmal zum Thema „Die biologischen Determinanten sexueller Attraktivität“, später dann zum Thema „Hormone und Verhalten – Oxytocin“.

Natürlich könnte ich jetzt von den engagierten Diskussionen im Seminar berichten – „Das mag schon so sein, für mich persönlich kann ich nur sagen, trifft das alles nicht zu!“ und „Innere Werte spielen ja auch eine sehr große Rolle“ – allerdings möchte ich die wissenschaftliche Neugier und den Faktenhunger meiner geneigten Leser befriedigen und komme damit gleich zu interessanten empirischen Studien zum Thema.

 

Optimal Waist-to-Hip Ratios in Women Activate Neural Reward Centers in Men
Bei Frauen wurde nachgewiesen, dass ein bestimmtes Schulter-Hüfte-Verhältnis beim Mann anziehend auf sie wirkt. Naheliegend, das Ganze auch einmal umgekehrt zu testen. In dieser Studie bekamen die männlichen Probanden Bilder nackter Frauenkörper vor und nach einem schönheitschirurgischen Eingriff zu sehen. Dabei wurde jeweils Fett vom Bauch abgesogen und in den Hintern injiziert, ohne das am BMI, also am Gewicht etwas geändert wurde.

 
Ergebnis: Je näher das Verhältnis aus Taillen- und Hüftumfang sich der magischen 0,7 annäherte, desto höher wurde die Attraktivität bewertet.

Irgendwie beunruhigend, insbesondere wenn frau ein Maßband zum Nachmessen im Haus hat.
Beruhigend: Durch fMRT (funktionelle Magnetresonanztomographie) wurde gezeigt, dass Frauenkörper mit optimalem Taille-Hüfte-Verhältnis einen Bereich des Belohnungssystems stimulierten, der auch von Alkohol angeregt wird. Statt einer riskanten, kostspieligen OP sollte man also immer dafür sorgen, dass Bier im Haus ist.

 

The Effects of Acute Alcohol Intoxication, Partner Risk Level, and General Intention to Have Unprotected Sex on Women’s Sexual Decision Making With a New Partner
Nicht nur Männer werden durch Alkohol beeinflusst. In dieser Studie bekamen die Probandinnen unterschiedlich harte Mischungen aus Orangensaft, Wodka und einem Schuss Limettensaft vorgesetzt. Danach lasen sie eine Art erotische Geschichte, die in der Frage mündet, ob man ungeschützten Sex (in diesem Fall mit Pille, ohne Kondom) mit einem gewissen Nick haben würde (der Mitbewohner des Freundes von einer guten Freundin namens Anita  – alles klar?).

Davor wurden jeweils „unauffällig“ Informationen zum sexuellen Vorleben von Nicks Ex-Freundin eingestreut, so dass die Entscheidung mehr oder weniger riskant war.

Ergebnis: Die Frauen, die leicht angetüttelt waren, entschieden sich signifikant häufiger für ungeschützten Geschlechtsverkehr, wenn die Situation nur leicht riskant war oder man das Risiko nicht abschätzen konnte. Wer aber richtig kräftig gebechert hatte, entschied sich auch bei riskanter sexueller Vorgeschichte signifikant häufiger für Geschlechtsverkehr.

Das dürfte an sich nicht besonders überraschen – auch wenn methodische Zweifel angebracht sind, in wie fern die betrunkenen Versuchspersonen die Geschichte überhaupt richtig verstanden haben und am Ende ihr Kreuzchen richtig gesetzt haben.
Auch ohne wertvollen Erkenntnisgewinn enthält der Fachartikel zur Studie aber ein sehr akkurates und sogar raffiniertes Longdrink-Rezept – vor dem Servieren werden die Gläser mit Wodka aus dem Zerstäuber verfeinert.

 
Ovulation as a Male Mating Prime: Subtle Signs of Women’s Fertility Influence Men’s Mating Cognition and Behavior
Sexuelle Interaktion findet natürlich nicht ausschließlich unter Alkoholeinfluss statt. In dieser Studie wurden als Intervention Frauen zu verschiedenen Zeitpunkt innerhalb ihres Monatszyklus Männern präsentiert. Danach wurden verschiedene Verhaltensvariablen am Mann erhoben.
Ergebnis: Männer die dem Geruch eispringender Frauen ausgesetzt sind, zeigen mehr sexuelle Verfügbarkeit, reagieren stärker auf weibliche Erregung, imitieren eher das Verhalten der ihnen gegenübersitzenden Frau und treffen riskantere Entscheidungen.

Letzteres könnte die Sicherheit auch im Straßen(!)verkehr revolutionieren: „Schatz, zeig mir doch bitte mal deinen Zykluskalender – aha, heute sitzt du aber im Kofferraum!“

 
Happy Guys Finish Last: The Impact of Emotion Expressions on Sexual Attraction
Diese Studie hat es sogar bis in die Cosmopolitan geschafft, was auch immer das bedeuten mag. 1041 Männer und Frauen bekamen jeweils Bilder von Gesichtern des anderen Geschlechts vorgelegt. Dabei wurde zwischen vier Gesichtsausdrücken differenziert: Freude, Scham, Stolz und einem neutralen Kontrollgesicht. Es sollte jeweils die Attraktivität bewertet werden.

 
Ergebnis: Männer fühlten sich von fröhlichen Frauengesichtern angezogen und fanden den arroganten Gesichtsausdruck am unattraktivsten. Frauen wiederum lehnten den fröhlichen Gesichtsausdruck beim Mann ab und fanden den stolzen Gesichtsausdruck am anziehendsten. Auffällig war auch noch das Ergebnis bei jungen erwachsenen Frauen: Bei ihnen schnitt auch das beschämte Gesicht sehr gut ab.
Vermutlich hätte man dieses Ergebnis auch durch die qualitative Analyse von Daily-Soaps und pubertären Filmstars erhalten. Trotzdem ist ein empirischer Beweis natürlich noch eine willkommene Bestätigung des fundierten Halbwissens.

Außerdem gefällt mir der Titel der Studie!

 
Human Tears Contain a Chemosignal
In dieser methodisch interessanten Studie wurden zunächst emotionale Frauentränen beim Sehen von traurigen Filmen gesammelt (leider wird nicht verraten, welche das waren).

Dann wurde zusätzlich eine ähnliche Mischung aus Wasser und Salz produziert und über Frauenwangen gekippt und wieder aufgesammelt, um sicherzustellen, dass die künstlichen Tränen auch schön nach „Frau“ riechen. Dann bekamen Männer entweder die echten oder die künstlichen Tränen auf einem Wattebausch unter die Nase geklebt und mussten die Attraktivität von Frauengesichtern bewerten. Zusätzlich wurde unter anderem der Testosteronspiegel gemessen und wieder mit fMRT die Aktivierung im Gehirn.

 
Ergebnis: Unter dem Einfluss von emotionalen Frauentränen wurden Gesichtern als weniger attraktiv bewertet, der Testosteronspiegel sank und die Aktivierung in Hirnarealen, die mit sexueller Erregung korrelieren, nahm ebenfalls ab.

Die Forscher ziehen nun den Schluss, dass Frauentränen sich im Laufe der Evolution als Zeichen von sexuellem Desinteresse herausgebildet haben. Davon abgesehen ist davon auszugehen, dass dem modernen Mann der logische Schluss „Sie weint“ –> „Sie ist wohl traurig“ –> „Jetzt akut vielleicht eher kein Sex“ auch ohne Wattebausch unter der Nase möglich ist. Und überhaupt, natürlich natürlich: Es gibt immer mehrere Faktoren.

 
Lange Rede, kurzer Sinn: Es gibt eine schier unerschöpfliche Vielfalt an mehr oder weniger aussagekräftigen Studien zum Thema.
Solche Forschungsergebnisse beziehen sich natürlich immer auf  Mittelwerte und sind deswegen nicht einfach so auf jedes Individuum zu übertragen. Ferner sind valide Studien im Labor zwangsweise aus dem Kontext gerissen.

Und last but not least: Innere Werte spielen ja auch eine sehr große Rolle!

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Eine Antwort zu SEX!

  1. Jule schreibt:

    Hallo Julia,
    ich hatte damals in einer BioPsych-Gruppe die Präsentation zu der „Human Tears Contain a Chemosignal“-Studie gehalten. Hier Infos zu dem traurigen Film:
    „To find out, he recruited two women who claimed they could cry on demand. He showed them a sad film—a scene from Franco Zeffirelli’s 1979 film The Champ, in which a son cries over the body of his dying father, a boxer—and collected their tears in vials (see video).“ Video wäre unter diesem lustigen Link zu finden: http://news.sciencemag.org/sciencenow/2011/01/a-womans-tears-the-anti-viagra.html, ist aber leider nicht mehr abrufbar.
    Toller Blog übrigens! 🙂
    Viel Erfolg bei den aktuellen Prüfungen,
    Jule

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